Weihnachten sammeln…
(18.11.2020)
Eine Sammlung anlegen zum Thema: Eine Wunderkammer bei uns zuhause: was gehört zu Weihnachten dazu?
Eine Idee mit Wurzeln: In den Franckeschen Stiftungen in Halle/Saale gibt es eine Wunderkammer[1]: einen historischen Lernraum, der schon seit dem Jahr 1698 mit dem Medium der Sammlung Phänomene der Vergangenheit und Gegenwart als "Wunder" und als Lerngegenstände für Schüler erschlossen hat: in je einem ganzen Schrank wurde alles von weit her gesammelt, was beispielsweise zur "Welt der Steine" oder "alles zum Thema Kleidung" und zu vielen weiteren Themen der damaligen bekannten Welt gehörte.
Die "Sammlung" ist auch in der Gegenwartskunst ein wichtiges Kunstmedium, mit dem durch eine gesammelte Vielfalt und Differenzierung Ausdruck und Gestalt geschaffen wird.
Pädagogisch lässt sich mittels einer thematischen Sammlung ein Thema zunächst stark differenzieren und entfalten (sammeln), dann im 2.Schritt überblicken (wahrnehmen und fokussieren) und im 3. Schritt sachentsprechend strukturieren oder neu mit eigener Struktur gliedern (präsentieren).
Die Idee ist nun, dass jede Familie oder einzelne Kinder sich im Advent (oder in einer anders abgegrenzten Zeit) auf die Suche machen und etwas suchen, was ihrer Meinung nach zu Weihnachten wirklich dazugehört, dass sie sich täglich auf die Suche machen und nur pro Tag ein Stück suchen und finden - und dieses ganze Gefundene wie eine kleine Ausstellung in einer Ecke des Zimmers oder der Wohnung schön und sinnvoll hinzustellen, das Ganze vielleicht in einem freigeräumten Regalfach, vielleicht auch nur an einer Wand zu drapieren.
Es geht also nicht in erster Linie darum, eine teure Krippe hinzustellen oder, wie man es manchmal sieht, eine raumfüllende Engelsammlung hinzustellen, sondern es geht um zufällige Funde wie etwas, was man auf der Straße aufliest, wie ein Bild aus der Zeitung, wie etwas aus der Spielzeugkiste, ein Stern, ein Foto - was in der inneren Logik der Kinder auch zu Weihnachten gehört. Und es ist eine tägliche Fokussierung auf das Thema, wie eine kleine tägliche Übung.
Die Intention ist dabei, allein oder gemeinsam als Familie bewusst und unbewusst Weihnachten einzusammeln und darüber ins Gespräch zu kommen. Als Regel müsste gelten: alles darf sein. Nichts wird abgewertet, auch wenn manches vielleicht fremd daherkommt.
Wer sammelt, weiß, dass man während des Sammelns immer weiter die Struktur der Sammlung im Prozess verändert. Neu Gefundenes rückt das, was eben noch im Mittelpunkt stand, beiseite. Eine Sammlung ist bleibender Prozess.
Am Ende darf ein Foto der eigenen Sammlung mit den Sammlungen anderer Familien zusammen wieder eine neue Großsammlung für eine Ausstellung werden.
Evamaria Simon, PTI der EKM, Drübeck
Bildnachweis: Nina Viktoria Naußed: Sammlung
Archiv produzierter Erinnerungen/Sammlung Israel
2012 fortlaufend/2017
Foto: Matthias Behne
[1] Zur Vertiefung der Idee:
Thomas Müller-Bahlke: Die Wunderkammer der Franckeschen Stiftungen, Halle 2012
Deep Storage. Arsenale der Erinnerung. Sammeln, Speichern, Archivieren in der Kunst, Haus der Kunst 1997